Werk Übersicht Die Betrachtung der Erzeugnisse Heinrich Wirri's in ihrer historischen Reihenfolge lässt unschwer drei verschiedene Gruppen unterscheiden, die in gewissem Sinne eine Entwicklung darstellen. In der ersten Zeit begnügt sich Wirri mit der Verbreitung schauerlicher Taten, kriegerischer Ereignisse, die er, gereimt und ungereimt, mit schrecklichen Bildern versehen, schrecklich, was Inhalt und Ausführung anbetrifft, seinem Publikum darbietet. Aber bald, um 1555, lässt er von diesen Stoffen ab, und nun sind es vornehmlich die Schützenfeste, denen er seine Pritschenmeisterreime widmet; und schliesslich wendet er sich der Beschreibung noblerer Festlichkeiten, fürstlicher Hochzeiten und anderer Anlässe zu. Hier nimmt er nun alles zusammen, was an Reimkunst in ihm steckt, und auch die äußere Erscheinung seiner Werke sucht sich der Vornehmheit dessen, was sie schildern, anzupassen. |
Sänger Da begegnen wir denn nun zuerst zwei Flugblättern; die uns entsetzliches und wunderbares zu berichten wissen, siehe rechts >>> Es ist ein Folioblatt, bedruckt mit 112 Verszeilen, voran steht ein kolorierter Holzschnitt, die Begebenheit darstellend. Wohl aus der gleichen Zeit stammt ein Folioblatt mit einem Holzschnitt und 186 Verszeilen, unterzeichnet H.W., welches den nichts verratenden Titel aufweist, siehe rechts >>> Es folgen nun zwei Lieder zeitgeschichtlichen Inhalts, richtige historische Volkslieder. Das eine bezieht sich auf den Einfall, den König Heinrich II im Jahr 1552 nach Deutschland unternahm, um im Verein mit deutschen Fürsten den Kaiser Karl V zu bekämpfen. Das Lied füllt vier Oktavblätter. Am Schlusse nennt sich Verfasser >>> Eng an dieses Lied schlisst sich das zweite Volkslied: In 18 6zeiligen Strophen beklagt der Dichter die Stadt Metz, dass sie sich allzu vertrauensselig in die Hände der Franzosen übergeben habe, die ihr nun entgegen den gegebenen Versprechungen all ihre Freiheiten genommen hätten. Der Schluss lautet >>> Aber die Freude am sensationellen, unerhörten wiegt bei Wirri noch vor, und so bekommen wir denn noch drei Moritaten zu genießen: Da haben wir ihn, den richtigen, fahrenden Spielmann, wie er im weiten Lande umherzieht, bald im Osten, bald im Westen, bald im Elsass, bald wieder in der Schweiz, überall spähend und horchend, ob nicht ein merkwürdiges Ereignis, eine entsetzliche Tat seiner harre, um durch ihn landauf landab verbreitet zu werden. Und da setzt er sich denn mit wichtiger Miene hin und malt mit Behaglichkeit das Unerhörte hin, bald in wankender Prosa, bald in holprigen Versen. Aber er kennt sein Publikum, das sich an der äußern Rauheit nicht stößt, sondern hastig die Neuigkeit verschlingt und dem Verfasser von Herzen dankbar ist, denn es hat noch keine Zeitungen, die ihm regelmäßig das Neueste zutragen. |
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Pritschenmeister Doch nunmehr gilt unserm Poeten diese niedrige Reportertätigkeit für abgetan. Er gibt sie auf, nicht aber zugleich sein fahrendes Leben. Er ist Pritschenmeister geworden und das Jahr 1505 zeigt ihn uns an drei verschiedenen Schützenfesten. Die Pritschenmeistersprüche Wirris sind poetisch sie ganz ohne Belang, aber auch was wir in kulturhistorischem Sinne aus ihnen gewinnen, ist blutwenig. Beinahe den größten Raum nehmen die endlosen Aufzählungen der Teilnehmer ein, natürlich zur besondern Ehrung der Genannten, wie denn ja schon damals jeder seinen Namen recht gern gedruckt las. Der Bericht über den Verlauf der Feste ist allgemein und unbestimmt gehalten, von seiner eignen Tätigkeit im Amte des Pritschenmeisters erfahren wir so gut wie gar nichts. Ein einziges mal erzählt er, dass er, in Passau , wenig geschossen habe, um so mehr aber mit der Pritsche seines Amtes zu walten hatte, dass ihm darüber viel Ehre angetan worden sei. |
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Festdichter So wenden wir uns denn der letzten Gruppe der Sprüche zu, den Beschreibungen der Hochzeiten und ähnlicher Anlässe. Begleiten wir denn also unsern Poeten auf seinen Festreisen, wo er sich zu seinem Ruhm neue Ehren zu erwerben hofft; hören wir ihm, wenn seine Muse uns auch nicht sehr zu begeistern vermag, doch wenigstens etwas zu, wenn er uns von den Sitten und Gebräuchen erzählt, die zu jenen Zeiten vornehme Feste begleiteten. Da finden wir ihn denn auf der Fahrt nach einem Hochzeitsfest, das am 2. August 1556 zu Wädenswil gefeiert wurde. >>> Dies ist der Titel des, umfangreichen, 350 Verse haltenden Spruches, den Wirri über diese Hochzeit ergehen ließ. Das muss ein großartiges, |
glanzvolles Fest gewesen sein, diese Hochzeit von Junkersleuten am blauen Zürichsee, auch wenn man nicht alles für bare Münze nimmt, was der biedere Sänger zu berichten weiß, und die Beteuerung dahingestellt sein lässt, dass man weit und breit in vielen Jahren keine schönere Hochzeit gesehen habe, und dass diesem Feste unter allen übrigen von ihm und sämtlichen fremden Spielleuten der Preis zuerkannt worden sei. Die eigentliche Trauung freilich wird mit sechs nichtssagenden Versen abgetan, denn die Prachtentfaltung und die Freigebigkeit der Gastgeber herauszustreichen, das ist die Hauptsache, und das fröhliche Herz eines immerdar hungrigen und durstigen Fahrenden denkt und spricht am liebsten vom Essen und Trinken, von den ausgeteilten Geschenken. 130 Tische standen gedeckt, jeder 10 Personen fassend; der Wein floss bei Adligen und Bauern, guter Elsässer, der beste im ganzen Land. |