Kulturgeschichtlicher Hintergrund


Feierliche Anlässe - Sänger und Spielleute

An den germanischen Fürstenhöfen, wie sie sieh aus den Stürmen der Völkerwanderung zu dauerndem Bestande erhoben hatten, erschienen zu den Festen und feierlichen Anlässen weitgewanderte Männer aus heimischen und fremden Gauen, um das Mahl der Helden durch ihre Gesänge zu verschönen. Hohe, edle Gestalten in weißen Haaren waren es, so denken wir, die ihre Lieder mit heiliger Begeisterung vor der lauschenden Versammlung sangen und mit der Harfe begleiteten. Von den Taten jener alten Helden und Recken sangen sie, zu denen die Zuhörer mit Staunen und Bewunderung emporblickten. Oft wurden diese Sänger auch zum Überbringen wichtiger Botschaften an fremde Königshöfe verwendet.

Aber die ideale Gestalt dieser Sänger ging im langsamen Laufe der Jahrhunderte unter und machte einer weniger vornehmen Art von wandernden Leuten Platz. Im 9. und 10. Jahrhundert tritt an ihre Stelle der weniger ernsthafte "Spielmann", dem die Würde jener alten Sänger fehlte. Wohl singt er auch an den Höfen, aber daneben auch auf den Straßen dem gemeinen Volk und spielt ihm auf seiner Fiedel zum Tanze auf. Er reißt nebenher Possen und macht den Leuten seine Kunststücke als Gaukler vor.

Natürlich waren es immer die Feste auf den Burgen, in den Städten, auf den Dörfern, die eine ganz besondere Anziehungskraft auf die Spielleute ausübten. Auf den Dörfern übertrug man Wohl etwa die Ordnung und Leitung des Festes einem erfahrenen Spielmann, der nun mit dem "Brizzelholz", jenem Instrument, das man noch heute in der Hand des Fasnachtsnarren sieht, seines Amtes waltete. Sie waren beim Volke, das ja oft genug von ihnen geprellt werden mochte, trotzdem sehr beliebt und gern gesehen, denn sie waren das unterhaltende Element, und da ist es nicht zu verwundern, wenn ihr Stand im Laufe der Jahrhunderte an Zahl ganz bedeutend zunahm. Denn hier strandeten eben alle, die im Leben Schiffbruch gelitten hatten, und sie befanden sich recht wohl.


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Schützenfeste - Pritschenmeister

Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erwuchs für das fahrende Volk, ein neuer höchst bedeutender Wirkungskreis. Es war ein neues wichtiges Element im Lande erstanden und zu Kraft und Blüte herangewachsen. Das waren die Städte mit ihrer regsamen Bürgerschaft. Aber. nicht nur der Handel hatte diese Städte groß und bedeutend gemacht, sondern nicht zuletzt die kriegerische Tüchtigkeit ihrer Bürger, die jeden Feind von den Mauern hielt. Diese kriegerische Tüchtigkeit, die Gewandtheit im Gebrauch der Waffe zu festigen und zu mehren, war ihr eifriges Bemühen, und wie konnte die Betriebsamkeit hier mehr angeregt werden als durch Wettschiessen nach dem Ziele mit Belohnung der besten Schüsse? So entstanden die Schützenfeste, auf denen mit der Armbrust und dem Feuergewehr gewetteifert wurde.

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Sie nahmen alsbald einen großartigen Aufschwung und wurden im 16. Jahrhundert wohl so zahlreich wie heutzutage. Diesen Festen zogen die Spielleute natürlich in Scharen zu und errangen sich dabei sogar eine offizielle Stellung; das war das Amt des Pritschenmeisters. Den Namen hatte er vom fächerartig gespaltenen Holz, der Pritsche, das auch bei sanftem Schlage laut klatscht.

Die Tätigkeit des Pritschenmeisters an einem Schützenfeste war nun recht vielseitig. Mit der Narrenkappe und einem bunten Kleide angetan, das meistens die Farben der festgebenden Stadt zeigte, mit der Pritsche in der Hand, suchte er des Morgens die Festteilnehmer zusammen und brachte sie auf einen freien Platz, wo er nun den Festzug zu organisieren hatte. Unterwegs und auf dem eigentlichen Festplatze drängte er mit der Pritsche die zudringlichen Gaffer zurück. Nach der Prüfung der Waffen begann das Schießen, und nun waren es die unaufhörlichen Witze des Pritschenmeisters, die hier den Schützen belobten, dort mit Verabreichung eines Pritschenschlages den Fehlschuss bespöttelten. Am Festessen hielt er lustige Festreden, gereimte und ungereimte, und sorgte auch sonst irgendwie für Unterhaltung. Nach Beendigung jedes Waffenganges betrat der Pritschenmeister seine Bühne, rief die besten Schützen heran, bedachte sie mit einer gereimten Ansprache, lobte sie und erteilte ihnen den Preis, der unter anderem auch in einer Fahne bestand. Die schlechten Schützen wurden wieder gehörig verhöhnt. Nachher zerstreute sieh das lustige Volk in alle Winde.



Ritterspiele - Festdichter

Das war das Hauptfest der Bürgerschaft. Aber auch in den Herren adligen und fürstlichen Geblüts steckte ein gut Teil Festesfreude, und die Feste dieser Kreise, Hochzeiten und andere Anlässe, nahmen im Verlaufe ges 16. Jahrhunderts einen ganz besondern Glanz an. Noch immer lebte die Erinnerung an das Turnier, und kein Fest wurde gefeiert ohne Ritterspiele, immerhin unter wesentlich veränderten Formen und in ungefährlicher Weise. Auch hier bedurfte man der Pritschenmeister und Festdichter und fand sie zur Genüge unter den Fahrenden. Viele Gedichte, die Beschreibung solcher Feste enthaltend, hervorgegangen aus der Hand eines solchen Pritschenmeisters , sind uns erhalten und zeugen ebenso von der Pracht und Verschwendung dieser Feste, wie von der grenzenlosen Verflachung der Dichtkunst dieser fahrenden Sänger und Spielleute. Aber traurig ist, dass die Produkte dieser gesunkenen Poesie, wie wir sie kennen lernen werden, ganz dem Geschmack des Publikums entsprachen und ganz ernsthaft genommen wurden.
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Buchdruckerkunst – Untergang einer Kulturerscheinung?

Das änderte sich freilich mit dem 17. Jahrhundert, wo die Pritschenreimer von den Trägern einer neu erwachenden Poesie nicht mehr als zur Zunft gehörend angesehen und bei jeder Gelegenheit ausgelacht und verspottet wurden. Aber noch ein anderes ist es, was den Fahrenden das Szepter entwunden hat: das ist die Buchdruckerkunst. Anfänglich profitierten sie in ausgiebiger Weise von dieser neuen Erfindung, ließen ihre Mordgeschichten, ihre Lieder und Sprüche drucken, oft in verschwenderischer Ausstattung, und fanden so für ihre Produkte rasche und weite Verbreitung. Aber mit der zunehmenden Bildung und vor allem mit der Entstehung von regelmäßig erscheinenden Zeitungen erreichte auch diese Herrlichkeit ein Ende. Immerhin verdanken wir der Buchdruckerkunst die Erhaltung einer großen Anzahl solcher Sprüche und Lieder, ohne die uns der tiefere Einblick in eine Kulturerscheinung des 16. und des 17. Jahrhunderts versagt wäre.

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